Die Versicherungsmärkte verhärten weiter

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Sicherlich würde sich der infolge der Corona-Pandemie teils stark gebeutelte Mittelstand andere Botschaften erhoffen – doch die Versicherer reagieren mit Prämienerhöhungen und anderen Maßnahmen auf die ihrerseits schwierige Lage. Die stetigen Umstrukturierungsmaßnahmen und personellen Veränderungen aufseiten der Versicherer und die sich dadurch ergebenden Kapazitätsengpässe verschärfen die Situation aus Maklersicht zusätzlich. Im nachfolgenden Artikel geben wir zu den wichtigsten Sparten einen Abriss über Ursachen und Hintergründe und wagen trotz aller Ungewissheit auch einen Ausblick in die nahe Zukunft.

Sach- und Ertragsausfall-Versicherung

Eine schleichende Marktverhärtung findet in diesem Segment bereits seit einigen Jahren statt. Mittlerweile ist die Verhärtung allgegenwärtig und bei den meisten Kunden auch angekommen – und das mit einer Deutlichkeit, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben. Dabei spielt es kaum mehr eine Rolle, für welchen Risikoträger man sich einst entschieden hat. Alle Versicherer sehen sich mit einem gestiegenen Preisniveau an den globalen Rückversicherungsmärkten konfrontiert, blicken im eigenen Portfolio im Bereich der industriellen Sach-Versicherung auf ein jahrelang defizitäres Geschäft zurück und versuchen nun den Befreiungsschlag. Mehr oder weniger vehement wird versucht, die individuelle Sanierungsstrategie bei den Kunden und Maklern durchzusetzen. Immer enger wird derweil die Situation für Versicherungskunden aus brandschutztechnisch kritischen Branchen wie Recycling, Fleisch, Lebensmittel oder Chemie – diese Unternehmen sehen sich mit Prämienforderungen im teils satten zweistelligen Prozentbereich, Erhöhung von Selbstbehalten, Reduzierungen oder gar Kündigungen ihrer Deckungen konfrontiert. 

In vollem Umfang bestätigt hat sich unsere Prognose in der letzten Ausgabe 2019 unserer RVM-Aktuell: Die versicherungstechnische Qualität allgemein, die Implementierung qualifizierter Schadenverhütungsmaßnahmen, die Umsetzung von Brandschutz- und Risikostandards sowie eine professionelle Bedarfsanalyse der zu versichernden Unternehmen spielt mehr denn je eine wichtige Rolle, um im aktuellen Marktgefüge noch bestmögliche Prämien erzielen zu können.

Wir gehen aus heutiger Sicht von einer weiterhin steigenden Prämienentwicklung, einer überwiegend sehr vorsichtigen Zeichnungspolitik sowie einer fortschreitenden Verknappung der Kapazitäten speziell für schadenbelastete und/oder risikobehaftete Betriebsarten aus.

Haftpflicht-Versicherungen

Nach vielen Jahren eines käuferfreundlichen Versicherungsmarktes zeichnet sich in einzelnen Bereichen auch hier nach und nach eine gewisse Verhärtung ab. Im Fokus erster Anpassungen von Prämien und Selbstbehalten oder einer Reduzierung der Limite stehen besonders schadenbelastete Risiken, wie zum Beispiel Unternehmen aus der Kfz-Zulieferindustrie, Unternehmen mit individuell schlecht verlaufenden Risiken, Unternehmen mit erhöhtem US-Risiko sowie internationale Versicherungsprogramme. Für sehr gut verlaufende Risiken ist der Markt hingegen unverändert noch „weich“ und aufnahmefähig.

Aus heutiger Sicht rechnen wir mittelfristig mit einem moderat ansteigenden Prämienniveau sowie den vorstehend bezeichneten Einschnitten für Unternehmen mit höherer Risikoexponierung.

D&O-Versicherungen

Ob die Corona-Krise nun der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte, vermögen wir nicht mit letzter Gewissheit zu beurteilen. Fakt ist jedenfalls, dass sich die D&O-Versicherer seit geraumer Zeit bereits mit einem gehäuften Schadenaufkommen konfrontiert sehen, das – so wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt – teils auch immense Schadenzahlungen nach sich zog. Ob nun Dieselgate oder Wirecard, die Schaden-Kosten-Quoten der D&O-Versicherer sind so defizitär, dass mittlerweile erste namhafte Player aufseiten der Versicherer gänzlich aus diesem Geschäft ausgestiegen sind. Die verbleibenden Risikoträger unterziehen ihre Bestände 2020 einem harten „Re-Underwriting“ und fordern Unternehmenskennzahlen und Risikoinformationen in bislang nicht gekanntem Ausmaß. Auch das Neugeschäft wird einer kritischen Risikoprüfung unterzogen. In der Folge haben die Prämien spürbar angezogen, Limite wurden heruntergesetzt oder auch bedingungsseitige Einschränkungen vorgenommen.

Auch wenn Corona nicht der Auslöser war, werden die wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen die Situation weiter verschärfen und die beschriebene Marktverhärtung vorantreiben.

Cyber-Versicherungen

Wie wir alle regelmäßig aus den Medien entnehmen können und der eine oder andere Leser sicherlich schon im eigenen Umfeld erfahren musste, nehmen Cyber-Vorfälle in unterschiedlichster Ausprägung weiterhin signifikant zu. Auch die coronabedingt teils in Nacht-und-Nebel-Aktionen geschaffenen Homeoffice-Lösungen haben sich nicht unbedingt positiv auf diese Entwicklung ausgewirkt. In der Folge haben wir – Sie ahnen es sicher schon – auch hier mit einem steigenden Prämienniveau, der Forderung nach höheren Selbstbehalten und einer immer akribischeren Risikoprüfung aufseiten der Versicherungsgesellschaften zu kämpfen. 

Kfz-Versicherungen

In diesem über viele Jahre hinweg oft defizitären Geschäftsfeld hat sich – trotz gestiegener Werkstatt- und Ersatzteilpreise – die Schadensituation bei vielen Flottenversicherern im Jahr 2020 coronabedingt etwas entspannt. Flotten werden im Firmenbereich weiterhin sehr individuell betrachtet: Gute Schadenquoten ziehen gute Prämien nach sich. Bei nachhaltig schlechten Verläufen ist das Gegenteil der Fall, sodass  schlussendlich jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Im Mittel ist jedoch ein insgesamt stabiles Prämienniveau festzustellen. Durch geschickte Kniffe, wie beispielsweise die Vereinbarung von substanziellen Schadenaggregaten, stehen größeren Flotten weiterhin variable Möglichkeiten zur Vertrags-, Prämien- und Steuergestaltung offen.

Fazit

Die Marktverhärtung war nach Jahren sinkender Prämien, inflationärer Versicherungssummen und verhältnismäßig offener Zeichnungspolitik für alle Marktteilnehmer absehbar, nicht aber die Geschwindigkeit, mit der die Versicherungsgesellschaften nun versuchen, ihre Forderungen auf breiter Front konsequent umzusetzen. 

Wir wissen nicht, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Märkte in Zukunft verändern. Aber wir wissen um unsere originäre Aufgabe, unsere Kunden auch in wirtschaftlich rauer werdenden Zeiten durch die Marktgegebenheiten zu lotsen und – immer deren Interessen im Fokus – das jeweils Beste für sie zu verhandeln. Und eines ist seit jeher sicher: Keine Marktphase dauert ewig an, weder der Käufer- noch der zunehmend vorherrschende Anbietermarkt.

Ihr Ansprechpartner:
Thomas Kalbacher
Tel. +49 7121 923-1124
kalbacher@rvm.de

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